„Man muss jedes Quartiersprojekt auf die Stadt anpassen“

„Man muss jedes Quartiersprojekt auf die Stadt anpassen“

Alles redet von Mixed-Use – aber wie viel Potenzial steckt wirklich in dem Trend? Sind die Projekte tatsächlich leicht realisierbar? Und wo liegen bisher Grenzen? Anett Gregorius leitete letzte Woche auf der Expo Real ein Panel zum Trendthema und entlockte Vertretern wie des Lebendigen Hauses, von The Collective und BNP Paribas Real Estate spannende Einschätzungen.

Der Immobilienmarkt ist weiter in bester Stimmung und mögliche nahende Einbrüche werden noch komfortabel zur Seite geschoben. So zeigte sich einmal mehr die allgemeine Stimmung auf der Immobilienmesse Expo Real letzte Woche in München mit mehr als 46.000 Besuchern. Die Serviced-Apartment-Welt ist dabei inzwischen im Zuge der guten Hotelimmobilien-Konjunktur und der gesellschaftlichen Mega-Trends in allen Hallen und Sektoren so präsent wie nie. Nicht zuletzt auch durch die neue Lust des Miteinanders, des Kombinierens, des Mixed-Use zwischen den Asset-Klassen. Und manche, wie GBI-CEO Rainer Nittka, sprechen sogar schon vom Mixed-Use als künftigem Standard.

„Doch lassen sich Mixed-Use-Konzepte heute wirklich so leicht umsetzen und leben, wie der aktuelle Hype es versprechen will?“, fragte Anett Gregorius ihre vier Teilnehmer beim Hospitality Industry Dialogue zum Thema „Im Trend: Der Hospitality-Hybrid in der Mikro-City“. Für Thomas Scherer mit Blick auf sein Erfolgsprojekt Lebendiges Haus ja. Der geschäftsführende Gesellschafter der denkmalneu GmbH hatte schon früher Quartiere entwickelt, aber im Laufe der Jahre mit den selbst entwickelten Serviced Apartments in Dresden und Leipzig, den Felix Suiten, eine Klammer geschaffen, die dem Gesamtkonzept des Lebendigen Hauses mit Co-Working, Büros, Einzelhandel, Fitness etc. eine besondere Dynamik in zentralen Lagen verschafft. „Die Synergien sollen hierbei ineinanderfließen“, sagt Thomas Scherer, der derzeit weitere Areale in Wien und Bremen realisiert und sich gerade in Gesprächen für ein Hochhaus in Berlin befindet. „Die Partner müssen nicht zusammenarbeiten, aber sie können es.“ Elementar sei, dass jemand die entstandene Gemeinschaft moderiert, miteinander vernetzt.  Mixed-Use ist kein Thema für eine Hausverwaltung, vielmehr ist das Mindset „Gastgeber“ gefragt. Auch für The Collective ist das konzeptentscheidend. Laut Niels Berl, Director Germany, kommen auch deshalb viele Partner bei The Collective aus der lokalen Umgebung. Alexander Trobitz, Head of Hotel Services, BNP Paribas Real Estate, betonte wiederum aus Maklersicht, dass man zwischen echten Quartieren und kleineren Kombinationen unterscheiden muss, es einen deutlichen Konzeptunterschied zwischen den kombinierten Produkten geben müsse und Hotels aus seiner Sicht den „entscheidenden Anker“ bei Mixed-Use-Projekten bilden.

„Aber wie schaffe ich Abstand durch die nicht zu ähnlichen Partner, wenn es doch heute mehr denn je um das gleiche Mindset geht?“, fragte Anett Gregorius. Man müsse hier vor allem auch auf die passende Architektur setzen, betonte Amandus Samsøe Sattler, Gründungspartner Allmann Sattler Wappner Architekten: „Eine zu große Flexibilität macht die Projekte austauschbar. Gerade Bestandsimmobilien eignen sich gut, weil sie Seele mitbringen.“ Das bestätigte auch Thomas Scherer, der mit der alten Hauptpost in Leipzig und einem weiteren Postprojekt in Wien bereits auf ikonische Bestandsgebäude in zentralen Innenstadtlagen setzt. „Man muss jedes Quartiersprojekt auf die Stadt anpassen, dann läuft man offene Türen bei den Stadtplanungsämtern ein“, sagt er, und Amandus Samsøe Sattler ergänzt: „Zwar erhält man von den Ämtern nicht leichter Genehmigungen mit einem Mixed-Use-Projekt, aber die Städte geben manchmal selbst den entscheidenden Anstoß.“ Zugleich müssten aber auch bereits die Investoren das Mixed-Use-Konzept wirklich wollen. Als aktuelle Hauptfehler sahen die Panelteilnehmer, dass die notwendige Nutzungsvielfalt des Gebäudes jetzt und in den nächsten Jahren oft nicht im Blick gehalten wird. „Der Investor sollte dabei immer alles in einer Hand behalten“, sagt Thomas Scherer, „Investoren sollten kein Teileigentum schaffen, sonst hätte man das Konzept nicht über die Jahre im Griff.“

Für Alexander Trobitz sind auch die Lagen entscheidend: „Mixed-Use funktioniert nicht in jeder Stadt und in jeder Lage, bisher sind solche Projekte nur in A- und B-Städten realisiert worden.“ Niels Berl würde das so nicht pauschal sagen. Ein Collective-Haus in Old Oak im Westen Londons zeige, wie sehr das Areal selbst zur Destination geworden sei und ein bis dato wenig attraktiven Stadtteil wiederbelebt hat. Alles sei eine Frage des Konzepts und wie es vor allem von Community Managern & Co. gelebt würde, da waren sich die Diskussionsteilnehmer am Ende einig. Mixed-Use ist Arbeit. Viel Dynamik also in einem interdisziplinären Thema, das schon jetzt zeigt, wie sehr sich hier bald die Spreu vom Weizen trennen wird.

Text: Sylvie Konzack

 

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