Eine Flatrate, viele Apartmentzielgruppen und die Gretchenfrage Mikro-Lösungen - Der Heuer Dialog 2019

Eine Flatrate, viele Apartmentzielgruppen und die Gretchenfrage Mikro-Lösungen - Der Heuer Dialog 2019

Wie könnte die Wohnungsanzeige der Zukunft aussehen? Wie die Zukunft von Serviced Apartments? Und vor allem: Wo sind heute die bezahlbaren Apartments? Der 3. Heuer Dialog am 11./12. April in Köln setzte auf den interdisziplinären Austausch. Apartmentservice war Gast und Co-Moderator.

„1.100 Euro Monatspauschalmiete für 85 m², 21 Grad, 4.000 KWh Strom, 1.000 km E-Autonutzung und 150 Mbit“, so titulierte Timo Leukefeld in seiner Key Note Speech die mögliche Wohnungsanzeige der Zukunft und brachte auf den Punkt, was eine Perspektive sein kann: die Pauschalmiete mit Energieflat für zehn Jahre – in energieautarken, „enttechnisierten“ und damit wartungsfreien Häusern. Samt hauseigener Tankstelle für E-Autos, die gemeinschaftlich genutzt werden.

Für das Temporäre Wohnen müsse man das Modell noch mehr zu Ende denken, darin waren sich viele Teilnehmer des Heuer Dialogs 2019 in Köln einig. Aber zugleich war die Begeisterung für die veränderte Denkweise geweckt, gerade auch mit Blick auf den Mikroapartment-Trend, die explodierenden Preise und wachsenden Zielgruppen & Konzepte im Serviced-Apartment-Segment. Das betonte auch Yvonne Traxel, Senior Projektleiterin des Heuer Dialogs.
Mit einem energieautarken Wohnwagenmodell aus Österreich konnte der Solartechnikunternehmer Timo Leukefeld sogar ein Beispiel vorstellen, welches schon heute von Managern für eine begrenzte Zeit gebucht wird. Grundsätzlich stecke hinter Ansätzen wie diesen der Trend, dass wir uns alle in eine „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ bewegen und immer weniger an unseren Produkten verdienen, betonte er.

Neue Geschäftsmodelle seien gefragt: indem Energieversorger selbst energieautarke Apartments bauen und anbieten, indem Betreiber Energieflatraten buchbar machen, oder Banken Energie-Objekte als neue Altersvorsorgemodelle vermarkten. Auch der Bau selbst befinde sich in einem gewaltigen Umbruch, indem die Robotertechnik bereits weltweit Häuserteile schneller und präziser drucken lässt – und viele solcher Verfahren in Deutschland aufgrund der Genehmigungssituationen blockiert werden, bemerkte Timo Leukefeld. Auch Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen betonte die Notwendigkeit von reformierten Bebauungsplänen in Deutschland – zum Beispiel mit neuen sonnengerichteten Dachneigungen und mehr kleinteiligen Grünflächen. „Grüne Fassaden überall sind unrealistisch, weil Pflanzen so nicht wachsen“, sagte sie. Insgesamt müsse mehr in die Multifunktionalität von Gebäuden investiert werden. „Die Chance und Herausforderung ist dabei der Bestand, nicht der Neubau.“ Und das alles hänge wiederum auch stark mit dem Wohnen als eine soziale Frage der Zeit zusammen.

Jones Lang LaSalle Residential Development analysierte vor diesem Hintergrund den Investmarkt Mikro-/Studentenwohnen im Städtevergleich – und stellte unter anderem einmal mehr München als Spitzenreiter bei der Mietpreisentwicklung von Mikroapartments heraus. Kann man mit Kreativität temporären Wohnraum preisgedämpft schaffen? Dieser Kernfrage ging das Podium aus Entwicklern, Betreibern und Immobilienanalysten nach. „Mikrowohnen hat dafür gesorgt, dass Wohnen wieder bezahlbar geworden ist – warum diskutiert man hier Wucher“, fragte Matthias Wirtz, Leiter Research bei KSK-Immobilien. Wenn man bei den Konzepten sparen will, könne man eher auf Gemeinschaftsflächen verzichten, ist Ralph Stock, Geschäftsführer von iPartment, überzeugt und ergänzt: „Ich kann den aktuellen Co-Hype nicht nachvollziehen, bei unseren Gästen ist das Apartment selbst und der Standort am wichtigsten.“ Für GBI-Vorstand Markus Beugel sind und bleiben Gemeinschaftsflächen notwendig, wenn die Einheiten sehr klein sind. Man vergebe dabei auch oft Services wie Fitness, um Kosten zu sparen.

Im weiteren zweitägigen Heuer Dialog betonte auch Matteo Ghedini, Geschäftsführer von Brera Serviced Apartments, wie sehr man sich mit seinem Angebot nicht als Verdränger und Kostentreiber in Städten sehe, sondern mit einer anderen Wohnform eine Ergänzung des klassischen Wohnens offeriere. Auch Amos Engelhardt von i Live verdeutlichte, wie stark die Nachfrage nach neuen temporären Wohnformen durch spezielle Zielgruppen sei. In seinem Vortrag über aktuelle Projekte spannte er den Bogen von Mixed-use-Projekten wie Little Loop über Loft Living bis hin zu Best Age Apartments – alle mit dem Community-Fokus unter dem Motto „Heimat geben“. 2020 wird der Mikroapartmentspezialist, der bisher vor allem Student-Living-Projekte realisierte, bis zu zehn Serviced-Apartmenthäuser in Deutschland eröffnen. „Dabei glauben wir fest an den eigenen Betrieb mit einem speziellen Branding und der Neuartigkeit des Produkts“, erläutert Amos Engelhardt. Generell gehe es künftig darum, noch klarer in Sub-Zielgruppen zu denken und weniger in Schubladen, weil die nächsten Generationen noch viel weniger festgefahren sein werden.

Auch Zoku konzentriere sich in diesem Sinne auf Young Professionals und nicht auf Studenten und Leisure-Gäste. „Deshalb macht bei uns auch eine Gemeinschaftsküche keinen Sinn. Vielmehr bleibt unser Gemeinschaftsbereich mit den Co-Working-Angeboten das Herz eines Zoku“, sagte Johannes Menge, Regionalleiter Unternehmensentwicklung bei Zoku International. Neue Häuser sind in Paris und Brüssel geplant, Kopenhagen und Wien starten 2020. Das neue Zoku in Wien wird zusammen mit einer Superbude eröffnen, ein Hotel-Hostel-Konzept des 25hours-Mitgründers Kai Hollmann.

Die Zukunft von Serviced Apartments wird also insgesamt noch mehr eine Frage der passgenauen Konzepte für spezielle Zielgruppen sein. Das war auch der Tenor der Diskussion, die Anett Gregorius, Gründerin und Inhaberin von Apartmentservice, moderierte. „Vielen Produkten fehlt die Klarheit“, betonte Matteo Ghedini. „Wir nehmen zum Beispiel klar Abstand vom Shortstay, machen keine Apartments unter 20 m² und sind viel mehr dort, wo sich Unternehmen befinden statt in reinen zentralen Lagen.“ Auch der Projektentwickler Kristian Branz warb mit „Future Living® Berlin“, einem „Leuchtturmprojekt für vernetzte Stadtquartiere“ mit 20 Serviced Apartments, 70 Wohnungen, Gewerbe und Kita, für mehr zukunftsorientiertes Denken statt Einerlei für alle.

Das Potenzial dafür zeigte Anett Gregorius mit der Präsentation ihrer erstmals bereinigten Zahlen mit ausschließlich gewerblichen Serviced Apartments auf. Allein bis 2021 wachse der Markt um weitere 59 %. „Ein riesiges Pfund, auf dem man aufbauen könnte – auch wenn wir nur der Pudding auf der Dessertkarte sind“, betonte sie und nahm Bezug zu einem Impuls von Michael Schramm (Renditus), der in seinem Vortrag das schwarze Bild einer zu platzen drohende Blase malte.

Der ewig positive Visionär Timo Leukefeld hätte, wenn er noch dagewesen wäre, den Fokus auf die Chancen in der Zukunft statt auf die Probleme eingefordert – mit neuen Geschäftsmodellen, die Begeisterung erzeugen. So könnte die Chance einmal mehr lauten: Temporäres Wohnen wird per se als Wohnform mit großer Zukunft gehandelt. Und ihre Pioniere sind längst dabei, die Wohnanzeigen der Zukunft zu schreiben. Sylvie Konzack

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