Apartments als Netzwerk

Apartmentservice AKTUELL im Gespräch mit Anja Graf, CEO VISIONAPARTMENTS

 

Apartments als Netzwerk

Fast 20 Jahre auf dem Markt und nach wie vor die Innovationsfahne für das Segment hochhaltend – die VISIONAPARTMENTS starten im September das erste Serviced-Apartment-eigene PMS (Property Management System). Wir trafen CEO Anja Graf und sprachen mit ihr über eine neue Firmenstruktur, ein genossenschaftliches Market-Place-Modell und mancherorts absurde Marktvorstellungen.

 

Frau Graf, Sie haben 1999 mit 21 Jahren die VISIONAPARTMENTS gegründet – in einer Zeit, in der man das Potenzial des Serviced-Apartment-Trends erkennen, aber noch nicht erwarten konnte. Inzwischen wartet das Schweizer Unternehmen mit über 200 Mitarbeitern und rund 1.800 Serviced Apartments in ganz Europa auf. Hinzu kommen Shared Offices und ein Concept Store. Der logische Schritt in eine neue Geschäftsstruktur? 

Wir konnten über die Jahre sehr gut mit der Branche mitwachsen und befinden uns aktuell in einer großen Umbruch- und Umstrukturierungsphase. Bisher bündelten wir in unserem Unternehmen die beiden Teile Immobilien und Operations unter einer Holding. Nun gliedern wir die Immobilien zu einer eigenen Immobiliengesellschaft aus, sodass die VISIONAPARTMENTS mit den VISION Management Services und den VISION Business Services das Management der Häuser fokussieren können. Reine Managementverträge sind unser neuer Businesszweig.

 

Können Sie damit auch Ihre geplante eigene PMS zielgenauer realisieren?

Ja, mit der neuen Struktur werden wir noch besser aktuellen IT-Aspekten gerecht, denn wir sind überzeugt, dass die Themen IT, Online-Vertrieb und das Agieren in Netzwerken aktuell und künftig zu den Schlüsselthemen der Serviced-Apartment-Branche gehören werden. Seit fünf Jahren arbeiten wir bereits an einem brancheneigenen PMS und haben dafür auch kleinere IT-Firmen gekauft. Im September werden wir endlich das erste Release starten. Das neue System verknüpft dann alles im Ablauf und Betrieb miteinander. Alle unsere Türen sind z. B. mit Code Locks versehen, sodass der Kunde und wir einen Online-Zugang zum Schloss haben. Eine größere Firma könnte dann z. B. selbst checken, ob ihr Mitarbeiter angekommen ist. Wir wiederum können sehen, wer wann eingecheckt hat, oder auch wie lange das Housekeeping im Zimmer war. Alles in allem ist dies für uns die Möglichkeit zu einem weiteren, großen Kundenservice, weil unsere Häuser typischerweise keine Rezeption haben.

 

Löst Ihr PMS auch das große Thema Langzeitbuchbarkeit?

Das tut es, wir stehen schließlich selbst für Longstay. Wir können mit dem System unsere Kategorien anbieten, das System übernimmt selbstständig die Buchungen und unser IT-Team in Warschau prüft, wie die Matches sinnvoll zugeordnet werden können. Zudem sind mit dem System auch Überbuchungen möglich, die wir im Notfall mit Hotels ausgleichen können. In jedem Fall erwarten wir durch diese Option spürbar höhere Umsätze. Und auch bei den Reinigungskosten gehen wir von einer Reduzierung der Kosten um rund 30 Prozent aus.

 

Wollen Sie das System auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen?

Ja, dafür besteht es aus zwei Teilen: aus dem schon kurz skizzierten operativen Teil samt Back-of-House und aus einem reinen PMS, das wir mittelgroßen Unternehmen zur Verfügung stellen werden. Sie benötigen damit keine einzelnen Channelmanager, Hotelsoftwaresysteme, Buchhaltungsprogramme etc. mehr, unser PMS kann alles bündeln. Am entscheidendsten ist aber, dass sich das System als Market Place versteht, d.h. dass alle Häuser innerhalb unserer Plattform bei anderen Anbietern Buchungen vornehmen können. Wir wollen dafür unser Netzwerk auf die weltweit 20 größten Serviced-Apartment-Provider ausweiten, vor allem auch in Asien. Diese Aufgabe wird ab September Max Thorne als neuer Senior Board Director übernehmen. Die Idee ist, dass jedes Unternehmen je nach Anzahl der Buchungen einen Anteil an der Plattform besitzen wird – umso höher die Buchungen, umso höher der Anteil. Im Gespräch mit Häusern in New York und London zeigten sich bereits viele von dem Ansatz begeistert. Denn letztlich haben wir in der Branche alle das gleiche Problem: Dass wir einen hohen Prozentsatz unseres Umsatzes an Vermittler abgeben. Wir wollen mit dem System für alle einen echten Mehrwert schaffen.

 

Wie läuft bisher Ihre eigene Vermittlungsplattform?

Gut, vor allem im Hinblick darauf, dass wir damit global buchbar sind und unsere internationalen Firmenkontakte verbessern konnten. Mit den Partnern haben wir bisher lose Verträge, jeder bekommt bei Buchungen beim anderen 10 Prozent Provision. Bei unserem neuen Market-Place-System sollen sie jetzt feste Partner werden. Dieses Netzwerkmodell gibt es bisher noch nicht in unserem Segment.

 

Ob Trend zu Mikroapartments und große Häuser, Community Spaces oder Quartiersbildung – das Produkt Serviced Apartment ist gerade mit zahlreichen neuen Strömungen konfrontiert. Wie blicken Sie darauf?

Vieler dieser Elemente setzen wir selbst schon länger um. Vor allem bei größeren Objekten realisieren wir oft kleinere Wohnungen, zum Teil mit Verbindungstüren, und bieten den öffentlichen Raum eher auf einem Community Level an. Vor wenigen Monaten haben wir z. B. unser erstes VISIONAPARTMENT Living in Vevey aufgemacht, in dem wir das Thema Sharing komplett mit Shared Offices, der Shared Kitchen und der Lounge umgesetzt haben – und die Leute schätzen das sehr. Wir wollen dies auch in den geplanten größeren Objekten sehr betreut fortsetzen – mit einer Shared Küche, einem eigenem Koch und eigenen Speisen in Einweckgläsern, die in der Lobby angeboten werden. Zusammen sollen sie eine spannende Alternative zum klassischen Restaurant und Shop bilden. Eine Küche bis Minibar wird es aber bei uns weiterhin im Serviced Apartment geben. Nur wo es baulich nicht geht, kommt z. B. unsere Marke Living zum Einsatz. Aber der Fokus bei den VISIONAPARTMENTS liegt weiterhin auf Longstay und auf eine Küche im Apartment.

 

Ihr neues VISIONAPARTMENTS St. Sulpice in Lausanne bietet fast ausschließlich wohnlich gelöste Mikrowohnungen an. Wollen Sie künftig verstärkt auf Mikrolösungen setzen?

Diese Wohnlichkeit gelingt uns, weil wir seit langem eine eigene Architekturabteilung im Haus haben. Bei dem Objekt in Lausanne war das Raster schon vorgegeben, und wir mussten das Beste aus den kleinen Räumen machen. Grundsätzlich machen wir die Größe unserer Apartments aber weiterhin von den baulichen Gegebenheiten abhängig, und viele unserer Apartments sind deutlich größer. Aber wir sehen auch, wie gefragt die Mikrowohnungen sind. Wer einen Monat lang in einem Apartment wohnt, braucht vielleicht doch keine große Flächen. In jedem Fall wünschen sich aber unsere Kunden, dass sie zentral und praktisch wohnen und dass das Serviced Apartment günstiger ist als ein Hotel.

 

Besteht nicht die Gefahr, dass wenn sich kleine Einheiten langfristig auf dem Serviced-Apartment-Markt durchsetzen, die Wohnlichkeits-DNA von Serviced Apartments verloren geht?

Ja, das kann passieren. Aber der Druck auf die Branche ist groß geworden. Bei der steigenden Zahl an Playern, ihren hohen Renditeerwartungen an das Segment und anhaltenden Niedrigzinsen findet man kaum noch geeignete Immobilien. Für viele Betreiber ist es zugleich eine Challenge geworden, sich für die richtige Short- oder Longstay-Strategie zu entscheiden und nicht bei den OTAs plötzlich Hotelpreise anzubieten. Wir selbst haben unser Portfolio in Wien verkleinert, weil es zuletzt schwierig geworden ist, für 45 m² große Studios eine zahlende Klientel zu finden. Aber wir merken auch bei unseren Gesprächen, die wir im Rahmen unseres neuen Produkts als Managementpartner führen, welche absurden Vorstellungen über die Umsatzmöglichkeiten mit Serviced Apartments herrschen. Als Longstay-Anbieter liegen unsere Kosten bei etwa 48 Prozent der Bruttomiete ohne Zinsen. D.h. wenn der Besitzer für eine Wohnung 2.000 Euro netto fordert, müssen wir 4.000 Euro von den Gästen verlangen – einfach zu viel für 26 m² o.Ä. Und dann verzeichnen wir bei einer 95-prozentigen Auslastung höchstens einen Gewinn um die 20 Prozent.

 

Wie sehen Ihre weiteren Pläne in Deutschland aus?

Unsere Objekte laufen sehr gut in Deutschland, und wir suchen weitere Standorte. Aber der Immobilienmarkt ist sehr überhitzt, und wir sind nicht bereit, zu jedem Preis zu kaufen.

 

Wie möchten Sie den Bereich Shared Offices weiterentwickeln?

Ursprünglich wollten wir in größeren Apartmenthäusern zwei Shared-Offices-Etagen vorsehen. Inzwischen richten wir aber z. B. 20 Arbeitsplätze überall dort in unseren Häusern ein, wo es Platz gibt und berechnen in einem Art Abo-Modell eine Monatsgebühr. Darin enthalten können mehrere Codezugänge zu den Büros, zur Küche etc. sein.

 

 

Worin sehen Sie aktuell als Gründerin Anja Graf Ihre Hauptaufgabenfelder innerhalb der neuen Firmenstruktur?

Ich bleibe CEO über alle beiden Firmen. In den nächsten ein, zwei Jahren konzentriere ich mich dabei vor allem auf die großen IT-Projekte, ihre Fertigstellung und ihren Launch. Nach dem ersten Release des PMS im September werden wir im Februar weitere Features hinzufügen und hoffen, das Produkt im März dem Markt anbieten zu können. Wenn es uns gelingt, zum dritten Mal die IT so aufzusetzen, dass man auf dem Markt gut mitspielen kann, dann fühlt es sich ein bisschen wie diese Goldgräberstimmung in den 1930er oder 1940er Jahren an. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sylvie Konzack.

Fotos: (c) VISIONAPARTMENTS

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